Repräsentanz


(Vor der Lektüre der folgenden Seite empfiehlt es sich, falls noch nicht geschehen, die Einleitung unter der Hauptnavigation Pfarreistruktur & Seelsorgemanagement  zu lesen.)

Mitte Mai in einem ca. 1200 Einwohner zählenden Dorf, 18:00 Uhr Fassanstich für das Dorffest. Der Dorfvorsteher begrüßt die vielleicht 80 Gäste, die Einheimischen, die Vertreter der Vereine und Verbände, die des Gemeinderates, namentlich die Bundestags- und Landtagsabgeordnete und die Kollegen Dorfvorsteher der umliegenden Gemeinden. - Und die Vertreter der Kirchen? – Fehlanzeige! In dem Dorf gehören die meisten Bewohner der katholischen Kirche an. Dennoch scheint diese im Leben der Gemeinde irgendwie aus dem Bewusstsein gerutscht zu sein.

Der Grund: Der Pfarrer war nicht da. Er wäre sicher mit Applaus begrüßt worden. Aber das können sich die Dorfbewohner heute kaum mehr vorstellen, dass ein Pfarrer zu ihren (nichtkirchlichen) Festen kommt, und die meisten werden dafür sogar Verständnis haben. Schließlich haben sie (innerkirchliche) Aufgaben genug, anstatt zum Feiern zu gehen.

Ich habe dieses Verständnis nicht. Ich erlebe, wie sich die hauptamtlichen Vertreter der Kirchen immer weiter aus der Öffentlichkeit zurückziehen und die Kirchengemeinden, die noch vor Jahren selbst Initiatoren solcher Events waren, in dem Maße ihr Selbstbewusstsein verlieren, wie sie sich von den Priestern allein gelassen fühlen.

Eine Stunde beim Dorffeststart dabei sein, ist bei dem zugegebenermaßen vollen Terminkalender unserer Seelsorger keine Überforderung. Was diese wenigen Minuten aber für Einzelne und die Gemeinschaft bedeuten könnten, ist nicht hoch genug anzusetzen. Wer derartige Begegnungen für wichtig hält, findet dafür auch Platz im Kalender.

Auch im privaten und familiären Leben sind die Priester und die anderen Hauptamtlichen immer weniger anzutreffen. Straßenweise Hausbesuche wie früher sind heute wirklich nicht mehr möglich. Aber wer sich nur bei 80. und 100. Geburtstagen persönlich sehen lässt, macht sich die Chancen zu persönlichen Begegnungen selbst kaputt.

Diese meine Kritik an die oft anzutreffende Haltung von Pfarrern und Priestern ist aber nur ein Teil der Wahrheit, um die es mir hier geht. Ich komme noch einmal auf den Fassanstich zum Dorffest zurück. Es war nicht so, dass keine offiziellen Personen aus der Kirche anwesend gewesen wären. Dem Vorsitzenden des Gemeindeausschusses wurde genauso ein Freibier gebracht wie der stellvertretenden Vorsitzenden des Pfarreirates. Aber dass diese beiden dem Pfarrer gleichgestellte Vertreter der kirchlichen Seite sind, hat sich noch nicht herumgesprochen. Immer noch läuft alles auf den Pfarrer zu. Wenn er nicht da ist, fehlt die Kirche.

Es liegt wohl noch ein sehr langer Weg vor uns, bis sich die Priester auf der einen und die Ehrenamtlichen in Leitungspositionen in Pfarrei und Gemeinden auf der anderen Seite als gleichberechtigt sehen und vor allem auch von anderen so gesehen werden. Als wir uns in St. Georg auf diesen Weg gemacht haben, mussten wieder einmal erkennen, wie schwer es für manche Gemeindemitglieder ist, die alten Zuständigkeiten zu hinterfragen und aufzulösen. Auf diesem Weg weiter zu kommen, hat uns folgende Praxis sehr geholfen:

Alle unsere Gemeinden feiern einmal im Jahr ein besonderes Gemeindefest, die meisten das Patronatsfest, andere das Kirchweihfest. Für die Durchführung sind die Gemeindeausschüsse zuständig. Wir haben abgesprochen, dass die Vorstandsmitglieder des Pfarreirates und die Vorsitzenden aller anderen Gemeindeausschüsse schriftlich eingeladen werden, wenn ein solches Fest ansteht. Zu Beginn der Messfeier, mit der die Gemeindefeste beginnen, werden diese Gäste dann vom Zelebranten oder vom Gemeindeausschussvorsitzenden der feiernden Gemeinde persönlich mit Namen begrüßt und am Ende des Gottesdienstes spricht der/die Vorsitzende des Pfarreirates ein kurzes Grußwort.

Diese Angewohnheit, so haben wir festgestellt, bindet die einzelnen Gemeinden fester zusammen und - das ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig – macht die Position und die Namen der ehrenamtlichen Verantwortlichen immer bekannter, vor allem, wenn im Laufe des Jahres alle zehn Gemeinden so verfahren. So rücken die Vorstände der Räte und Ausschüsse immer mehr in das Licht der kirchlichen und nichtkirchlichen Öffentlichkeit. Das macht nicht nur auf den Festen einen guten Eindruck, das ist eigentlich nur ein Nebeneffekt. Es hilft den Ehrenamtlichen vor allem in der allgemeinen Seelsorgearbeit - bei der Leitung von Gottesdiensten, bei Predigten, bei Beerdigungen, bei Geburtstagsbesuchen u. v. a. m. – akzeptiert und anerkannt zu werden.

Stand 01.06.2018                                                                                                   Zum Seitenanfang

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