Der sonntägliche Gottesdienst

Modell A

(Vor der Lektüre der folgenden Seite empfiehlt es sich, falls noch nicht geschehen, die Einleitung unter der Hauptnavigation Pfarreistruktur & Seelsorgemanagement  zu lesen.)

Für die Anzahl der Eucharistiefeiern am Sonntag (hier immer einschl. des Vorabends) gibt es unterschiedliche Kriterien:

Die Anzahl der Kirchgänger kann der Maßstab sein. In den meisten Pfarreien, die nicht mehr als 10.000 Katholiken zählen, fänden alle Messbesucher leicht in zwei oder drei Hl. Messen Platz. Sich damit zu begnügen, setzt allerdings voraus, dass die Kirchenbesucher bereit und in der Lage sind, auch dahin zu gehen, wo die Hl. Messe gerade gefeiert wird. Viele Katholiken, besonders die älteren, sind nicht gewohnt, dass die Glocken der eigenen Kirche stumm bleiben und bleiben eher zu Hause. Nur ganz langsam, so hört man aus verschiedenen Pfarreien, werden die Grenzen zwischen den Gemeinden durchlässiger. Dennoch wird noch lange dauern, bis die Kirchenbesucher mit so einem Minimalangebot zufrieden sind.

Ein zweites Kriterium kann die Anzahl der zur Verfügung stehenden Zelebranten sein. Wenn nach dem Kirchenrecht jeder Priester an einem Wochenende drei Hl. Messen zelebrieren kann, können  z. B. in unserer Musterpfarrei St. Georg mit zwei hauptamtlichen Priestern sechs Eucharistien gefeiert werden, und wenn Ruheständler oder Pfarrer em. dazukommen, entsprechend mehr. So ein Maximalplan ist so lange aufrechtzuerhalten wie die Zelebranten auch wirklich zur Verfügung stehen. In Urlaubszeiten oder, wenn jemand durch Krankheit oder andere Vorkommnisse ausfällt, muss der Plan durch Streichungen korrigiert werden. Das führt zu Unruhe und Unsicherheit, vor allem wenn die Kommunikation nicht entsprechend gelingt.

Fazit: Für die sonntägliche Gottesdienstplanung ist ein Minimalplan, bezogen auf die Kirchenbesucherzahlen, oder ein Maximalplan, bezogen auf die Zelebranten, wohl nicht sinnvoll.

Unsere Musterpfarrei St. Georg geht einen dritten Weg. Dieser hat zwei Stufen. Auf der ersten steht ein Minimalprogramm an sonntäglichen Eucharistiefeiern. Dabei feiert jeder der regelmäßig zur Verfügung stehenden Zelebranten eine Vorabend- und eine Sonntagsmesse. Bei zwei hauptamtlichen Priestern gibt es also vier Sonntagsmessen. Eine davon ist die von der Diözese geforderte regelmäßige Sonntagsmesse in der Hauptkirche. Die anderen verteilen sich im Wechsel auf die übrigen Gemeindekirchen.

Diese Regelung ist sehr stabil, weil sie nicht, wenn nicht etwas ganz Außergewöhnliches vorfällt, verändert werden muss, auch nicht in Urlaubs- und Krankheitszeiten. In diesem Fall kann auch einer der Priester – ich gebe zu, ein wenig an der gesetzlichen Regelung vorbei – alle vier Messen übernehmen. Ich halte das für möglich, wenn es nur wenige Male im Jahr vorkommt.

Dennoch sehen wir in dieser Minimalregelung keine gute Lösung. Ich glaube, auch kein Priester wäre damit glücklich, wenn er samstags und sonntags nur je eine Messe zu zelebrieren hat, und gleichzeitig mehrere Kirchen leer bleiben. Darum baut sich über diesem Normalprogramm ein Sonderprogramm auf, über der „Pflicht“ die „Kür“. Zu den Hintergründen ein kleiner Exkurs.

Die Gemeinde- und Pfarreiarbeit gestaltet sich bei uns in der Regel unspektakulär. Man feiert die notwendigen Gottesdienste und Sakramente, organisiert Begegnungen und Versammlungen und verwaltet Gebäude, Grundstücke und Einrichtungen zum Wohle aller. Vieles geschieht ungesehen und unbemerkt.

Aber der Eindruck verstärkt sich, dass man heute Kirche und andere Großorganisationen der Gesellschaft nicht nur auf diesem sich zurücknehmenden Niveau lebendig halten kann. Menschen, die es gewohnt sind, kirchliche Eucharistiefeiern und Großereignisse am Fernseher mitzuerleben, werden sich schwer mit einem permanenten Mittelmaß zuhause zufriedengeben. Das soll nicht heißen, dass wir in unseren Veranstaltungen das Fernsehen kopieren sollen. Es muss aber bedeuten, dass wir unseren eigenen Stil entwickeln, der auch höheren Ansprüchen genügt. Wir werden nicht an jedem Sonntag Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Mariä Himmelfahrt ertragen können. Aber ohne diese alljährlichen vier Hoch-Zeiten wären normalen Sonntage nicht erträglich. Auch von den Priestern und Veranstaltern kann man nicht immer Höchstleistungen erwarten. Das kann aber nicht bedeuten, dass wir uns mit dem derzeitig vielerorts angebotenen Niveau zufriedengeben müssen.

Unsere Überlegungen in St. Georg: Wir arrangieren uns im Allgemeinen mit dem Mittelmaß und setzen alles daran, hin und wieder Gottesdienste zu feiern, die das Besondere, das Außergewöhnliche, das Feierliche, das Emotionalen und was auch immer zum Erlebnis bringen – und das zu für die Besucher idealen Zeiten. Die Gottesdienstzeiten des Normalangebotes können nicht ideal sein. Die beiden Hl. Messen am Samstag und am Sonntag müssen jeweils 90 Minuten auseinanderliegen, damit sie auch von einem Priester zelebriert werden können. Aber dann bietet sich für Samstag nur 17:00 Uhr und 18:30 Uhr und für Sonntag 09:00 Uhr und 10:30 Uhr an. Die Sondergottesdienste können auch 18:00 Uhr und 10:00 gefeiert werden, denn sie setzen sowieso voraus, dass alle Priester anwesend sind. 18:00 und 10:00 Uhr sind erfahrungsgemäß besten Mess-Zeiten und die Feiern werden allein schon dadurch zu etwas Besonderem.

Mehr noch könnte das Besondere dieser Gottesdienste die Anlässe sein wie Patronatsfest, Jubiläen, Kinder- und Jugendmessen, oder auch das Kirchenjahr, wenn ein besonderer Advents- oder Karfreitagsgottesdienst oder an Silvester eine Liturgische Nacht angeboten wird. Und nicht zuletzt hängt das Besondere dieser Gottesdienste an der Gestaltung, wenn man der Kreativität freien Lauf lässt. Die Zelebranten werden schon von den diözesanen Papieren zur ars celebrandi gedrängt. Die Orgel- und Chormusik hat ihren Auftrag vielerorts schon verstanden. Darüber hinaus könnten meditative Texte, besondere Predigtformen, die Raum und Lichtgestaltung, Pantomimen und liturgischer Tanz neue Aufmerksamkeit erzeugen und vieles andere mehr. Wir brauchen hin und wieder Ereignisse und Erlebnisse, die aus dem Rahmen springen. Sonst wird das kirchliche Leben mehr und mehr verdunsten und versickern.

Schließlich darf man auch mal an etwas ganz Großes denken. Es muss nicht immer ein Katholikentag sein. Aber so etwas Ähnliches kann ich mir für viele Pfarreien wohl vorstellen: alle zwei oder drei Jahre, im Idealfall in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche, ein Großereignis, welches die Menschen einlädt, sich zu begegnen, sich zu informieren und zu feiern.

Was diesen unseren dritten Vorschlag auszeichnet, ist das Zusammenspiel vom Normalen und Besonderem. Früher gingen die Gläubigen zum Sonntagsgottesdienst, weil sie es so gelernt hatten, weil die Pflicht sie dazu drängt. Diese Motivation gibt es heute immer weniger. Dass viele heute nicht mehr regelmäßig gehen, ist nicht immer Gleichgültigkeit. Es fehlt vielfach das, was zieht. Und das könnten, so stellen wir uns das in St. Georg vor, unsere Sondergottesdienste sein.

 Stand 10-03-2018                                                                                      Zum Seitenanfang

 

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