Beerdigungen

 

(Vor der Lektüre der folgenden Seite empfiehlt es sich, falls noch nicht geschehen, die Einleitung unter der Hauptnavigation Pfarreistruktur & Seelsorgemanagement  zu lesen.)

 

Die Zahl vieler seelsorglicher Dienste nimmt ab, kaum aber die der Beerdigungen. Auch Getaufte, die im normalen Leben nicht mehr oder nur selten am kirchlichen Leben teilnehmen, wünschen sich i. d. R. im Falle ihres Todes eine kirchliche Beerdigung oder die Angehörigen bitten darum. Wohl alle Pfarreien stehen vor der Frage, wie sie mit der Herausforderung umgehen wollen. Sollen sie die Beerdigungen aus reinem Pflichtbewusstsein ausführen und - natürlich mit der notwendigen Menschlichkeit und Würde - wie eine religiöse Dienstleistung betrachten, oder sie als eine geschenkte Chance begreifen, die Angehörigen und Besucher im Sinne einer missionarischen Seelsorge mit einer besonders gestalteten Beerdigung anzusprechen, sie in der Trauerarbeit zu begleiten und vielleicht ein neues Fragen nach Kirche und Glauben anzustoßen. - Alles spricht für die zweite Alternative und zwar vor allem deswegen,

  • weil die meistern Beerdigungsfeiern, besonders auf den Dörfern, stärker besucht werden als viele anderen Gottesdienste,
  • weil die Teilnehmer an einer Beerdigung für religiöse Botschaften besonders aufgeschlossen sind und
  • die Angehörigen an Kirche und Pfarrei besondere Erwartungen haben.

Die Beerdigungspraxis, die sich heute in unserer Diözese immer mehr durchzusetzen scheint, ist dagegen die Minimalform einer Beisetzungsliturgie in der Aussegnungshalle und am Grab ohne sich direkt anschließendem Beerdigungsamt und in der Folgezeit drei Sterbeämter in zeitlicher Absprache mit den Angehörigen.

Soweit ich auf Nachfragen erfahren habe, waren Requien unmittelbar vor oder nach der Beisetzung auch in unserer Diözese lange verbreitet. Wegen des Mangels an Zelebranten hat sich das, wie man sagt, nach und nach verändert. Es gibt allerdings Diözesen, wo die Beerdigungsmessen weiterhin möglich sind, wenn die Angehörigen es wünschen, und dabei ist das Problem des Priestermangels da auch nicht minder drängend. Auf der Internetseite meiner Heimatgemeinde in der Diözese Münster habe ich vor einiger Zeit den Hinweis gelesen, dass wegen der schweren Erkrankung des leitenden Pfarrers die Samstagsabendmessen und einige andere während der Woche bis auf weiteres ausfallen müssen. Und dann hieß es weiter: Von dieser Maßnahme sind die Beerdigungsämter nicht betroffen. Dort sind die Eucharistiefeiern im unmittelbaren Anschluss an die Beisetzung eine absolute Notwendigkeit und kaum einer – ich spreche von den Kirchennahen - kann sich vorstellen, dass sie es einmal nicht mehr geben wird.

Das Modell der drei Sterbeämter in unserer Diözese und anderswo geht wohl auf eine ältere Tradition zurück, nach der Totenmessen am 3., 7. und 30. Tag nach Eintritt des Todes gefeiert wurden, wobei die Hl. Messe am 3. Tag die Beerdigungsmesse sein dürfte. Der große Herder von 1934 berichtet darüber unter dem Stichwort Requiem.  

Traditionen sind oft klüger als man es ihnen zutraut. In diesem Fall haben sie ein feines Gefühl dafür, was die Menschen in ihrem Trauerprozess brauchen. Wenn die Hektik um die Beerdigung - mit Erd- oder Urnenbestattung, das ist gleich - eines nahestehenden Menschen vorbei ist, begreifen die Angehörigen oft erst richtig, was ihnen der Verlust bedeutet. Jetzt, sagt die Tradition, um den 7. Tag herum, tut es den Trauernden gut, noch einmal die Solidarität der Angehörigen und der Kirche zu erfahren.

Ähnliches einen Monat später. Hier hat die Zeit oft schon geholfen, die tiefste Trauer zu überwinden und das Leben wieder normaler zu empfinden. Wie gut, in diesem Gefühl gestärkt zu werden. Also lädt die Tradition zum 30-Tage-Amt in die Kirche und zum Besuch auf den Friedhof.

Teile dieser Tradition haben sich in einigen Diözesen bis heute gehalten. Die Messe nach sieben Tagen allerdings habe ich nirgendwo wiedergefunden. Aber das Beerdigungs- und das 30-Tage-Amt haben sich als wohltuenden Brauch festgesetzt. In meiner Heimat hat sich eine etwas andere Tradition gebildet. Hier wird an Stelle des 30-Tage-Amtes das Sechs-Wochen-Amt gefeiert. Der Trauer lässt man noch wenig mehr Zeit, aber nicht von ungefähr. Die sechs Wochen verweisen auf die 6-wöchige Fastenzeit, in der man auf das Fest der Auferstehung zugeht. Die christliche Verkündigung beim Begräbnis hat immer die Spannung zwischen Tod und Auferstehung, zwischen Trauer und Trost, zwischen Ende und neuem Anfang zum Thema. Den Sarg und die Urne noch vor Augen ist bei den meisten Angehörigen wenig Raum für die positiven Aussagen über den Tod. Die 6-wöchige Trauerzeit nimmt die Trauernden schrittweise mit aus der Dunkelheit der Trauer in das Licht der Auferstehung. Je weiter die Zeit geht, desto klarer wird der Blick auf Ostern.

Strukturen erscheinen in diesen Traditionen in einem besonderen Licht. Die festgesetzten Tage der Beerdigungsmessen machen sich an Stationen der Trauerverarbeitung fest. Gleichzeitig aber – und das ist das Besondere – lassen sich die Menschen von den Strukturen leiten. Sie lassen sich von ihnen gewissermaßen an die Hand nehmen und durch die Trauer zur Verheißung der Auferstehung führen.

Auf diesem Hintergrund ist mir die Entwicklung in unserer Diözese nicht ganz verständlich. Irgendwann war es wohl nicht mehr möglich, die fest vorgegebenen drei Zeiten einzuhalten, oder man hielt sie nicht mehr für sinnvoll und schaffte sie ab. Übrig blieben die drei Hl. Messen ohne jegliche zeitliche Struktur. In einem oft mühsamen Prozess müssen die drei Messzeiten bei jeder Beerdigung neu gesucht werden. Leider scheint das Gefühl abhandengekommen zu sein, dass nicht nur der Gottesdienst selbst sondern auch die Zeitstruktur ein Segen ist. Mittlerweile ist aber auch diese Entwicklung zu einer festen Tradition geworden, so dass eine Korrektur schwierig sein dürfte. Dennoch wäre sie sinnvoll, vielleicht sogar notwendig.

Die Beerdigungsliturgie könnte in Zukunft etwa so aussehen:

In Anlehnung an die liturgischen Bücher könnte sie in drei Formen angeboten werden,

  • als das Modell mit zwei Stationen in der Aussegnungshalle und am Grab,
  • als das Modell mit drei Stationen in der Aussegnungshalle, am Grab und in der Kirche oder anderswo mit einem meditativen Abschluss
  • und als Modell mit drei Stationen in der Aussegnungshalle, am Grab und in der Kirche mit einer Eucharistiefeier.

Die Angehörigen entscheiden sich im Einvernehmen mit dem Seelsorger, der die Liturgie leiten wird, für eine Form. Zum ersten Modell ist nicht viel zu sagen; es scheint sich immer mehr durchzusetzen. Das zweite Modell beschließt die Beerdigungsliturgie mit einer kurzen meditativen Andacht. Die Absenkung des Sarges oder der Urne in die Erde ist wohl der emotionalste Augenblick der gesamten Beerdigung. Bisher endet die Liturgie kurz nach diesem so dicht empfundenen Ritus und man macht sich auf den Heimweg oder zum Kaffeetrinken. Es gibt kaum Zeit und Raum, die Bilder des Sarges, der Urne und des offenen Grabes zu verarbeiten. Das könnte ein kurzer Besuch in der Kirche oder auch anderswo mit passenden Worten und ausgesuchter Musik ändern.

Das dritte Modell greift die ursprüngliche Tradition wieder auf bzw. hält an ihr fest. Sie ist für die Menschen, die mit ihr gelebt haben, die Hochform der Beerdigung. Gleichwohl ist sie nicht für jede Beerdigung geeignet. Nicht alle Betroffenen haben zur Eucharistiefeier einen ausreichenden Bezug. Dann soll man zu den anderen Formen raten. Wenn aber die Voraussetzungen stimmen, können diese Hl. Messen zu besonderen liturgischen und persönlichen Höhepunkten werden.

Das unterstreicht, was sich vor ein paar Jahren in einer kleinen Gemeinde im Pfälzer Wald abgespielt hat. Solange man zurückdenken konnte feierte man hier die Beerdigung in der traditionellen Form mit dem Sterbe- oder Beerdigungsamt unmittelbar nach der Beisetzung. Im Zuge personeller Änderungen bei den hauptamtlichen Seelsorgern wurde diese Tradition beendet und das erste Sterbeamt auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Man erklärte das Vorgehen auch mit dem Hinweis auf die Gleichbehandlung mit den Nachbargemeinden, bei denen es die alte Tradition schon länger nicht mehr gäbe, mit denen man aber in Kürze zu einer neuen Pfarrei zusammengebunden würde.

Es ging ein Aufschrei durch die Gemeinde. Man verstand die Welt, die Kirche und die Pfarrer nicht mehr.

Von dieser Gemeinde ist weiter zu berichten, dass ihre Kirche eine wertvolle Klais-Orgel besitzt, die unbedingt einer Renovierung bedurfte. Jahrelang sammelte man bei den Kirchenmitgliedern und bekam eine erstaunliche Summe zusammen. Auch viele ältere und alleinstehende Menschen beteiligten sich. Als nun die Schreckensnachricht von der Abschaffung der Beerdigungsämter die Runde machte, hörte man eine ältere Dame seufzen: Dann brauch ich ja auch nicht mehr für die Orgel zu spenden, wenn diese sowieso nicht mehr zu meiner Beerdigung spielt.

Diese Frau ist höchstwahrscheinlich regelmäßig bei den Beerdigungen von Angehörigen und Mitbewohnern in ihrem Dorf dabei gewesen und hat immer wieder das Besondere gerade des Beerdigungsamtes erlebt, und sie nicht allein. Sie hat wohl gespürt, was das Empfinden des frommen Volkes schon immer wusste, dass bei der Beisetzung der Leib der Erde und in der Eucharistiefeier die Seele dem Himmel anvertraut wird. Und es wird der Frau im Hinblick auf das eigene Sterben Trost gegeben haben, dass auch einmal ihre ganz persönliche Heilige Messe gefeiert wird und sich dadurch der Himmel auch für sie öffnet.  – Eine solche Feier darf und kann man nicht abschaffen!

Viele Gespräche, die es im Laufe der Zeit um dieses Thema gegeben hat, haben deutlich gemacht, dass man eine derart fast innige Beziehung zu der Beerdigungsmesse nur haben kann, wenn man lange mit dieser Tradition vertraut war. Wer sie nie kennengelernt hat, für den findet eigentlich nur die Verschiebung einer Hl. Messe vom Tag der Beerdigung auf den nächsten Sonntag statt. – Aber eine Verschiebung der Beerdigungsmesse kann es nicht geben. Entweder sie findet im unmittelbaren auch zeitlichen Zusammenhang mit der Beisetzung statt oder sie findet überhaupt nicht statt.

Soll oder kann man eine derartige Tradition, die aus welchem Grund auch immer unterbrochen wurde, neu beginnen? – Zu wünschen wäre es. Zumindest soll man diese Form, die übrigens bei der Beerdigung eines Priesters selbstverständlich ist, mit anbieten. Dann wird sich herausstellen, ob bei den Menschen dafür wieder ein Gefühl wachsen kann.

Die Voraussetzungen, den alten Weg neu zu gehen, sind in jedem Fall gegeben, was Erfahrungen in anderen Regionen belegen. Bis zu 50% der Beerdigungen werden schon ohne Eucharistiefeier gewünscht. Die Werktagsmessen fallen oft automatisch aus und, wenn nötig, werden für zwei Beisetzungen eine Hl. Messe zwischen beiden gefeiert. Sollte sich ergeben, dass bei einer Beerdigung, die für die Pastoralreferentin/-den -referent vorgesehen ist, eine Hl. Messe gewünscht wird und sinnvoll ist, feiert sie einer der Priester.

Auch das Sechs-Wochenamt lohnt sich einzuführen. Wo es üblich ist, ist es fast so wichtig wie die Beerdigung selbst. Meistens ist es ein Angebot der Gemeinde und wird auch gefeiert, wenn die Angehörigen dafür kein Interesse zeigen. Den Abschluss der kirchlichen Trauerliturgie bildet das Jahresamt oder Jahresgedächtnis wie es bisher auch schon üblich war. Zusätzlich ist es Brauch geworden, zu Allerheiligen der Verstorbenen des vergangenen Jahres zu gedenken, mit Nennung der Namen und dem Aufstellen einer Kerze auf dem Grab.

Zum Schluss noch ein paar Gedanken zur Urnenbestattung. Deren Zahl wächst auch in unseren Dörfern, auch bei den Katholiken. Theologische Bedenken gibt es keine mehr. Die Zeiten, in denen die Einäscherung ein bewusster Protest gegen die christliche Botschaft von der Auferstehung war, sind längst vorbei. Die liturgischen Texte haben sich angeglichen und es scheint als seien beide Formen gleichartig und auswechselbar. Richtig ist, dass beide gleichwertig sind und aus theologischen Gründen keine besser oder schlechter ist. Dennoch gibt es deutliche Unterschiede und zwar im Erleben der Angehörigen. Bei der Beerdigung eines Sarges haben die Anwesenden den Verstorbenen noch leibhaft vor Augen, wenn auch in der Andersartigkeit des Todes. Der Blick auf den Sarg schenkt noch einmal eine Nähe zum Verstorbenen und macht das Abschiednehmen real. Nicht ganz so leicht ist es, in der Asche in der Urne den Menschen zu sehen, mit dem man zusammengelebt hat und von dem man sich verabschieden möchte. Es mag sein, dass die Urnenbestattung manchmal weniger emotional angespannt ist als die Bestattung des Sarges und sie darum für den Moment besser zu ertragen ist, für den Prozess des Abschiednehmens insgesamt ist die Urnenbestattung aber wohl eher schwieriger. Desto notwendiger scheint es mir zu sein, diesen in einer anschließenden Liturgie zu unterstützen.

Weiter kann helfen, die Beerdigung aufzuteilen. Einmal verabschiedet man sich in einer liturgischen Feier von dem Verstorbenen in seinem Sarg in der Friedhofshalle und begleitet ihn zum Wagen, mit dem er zur Einäscherung gefahren wird. Das kann im engen Kreis der nahen Angehörigen geschehen. Zu einem späteren Zeitpunkt versammelt man sich mit der Gemeinde und Freunden und Bekannten am Grab, um die sterblichen Überreste der Erde zu übergeben und die Beerdigung mit einem geeigneten Ritus abzuschließen.

Stand: 01.03.2018, überarbeitet 01.03.2019                                                      Zum Seitenanfang

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